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Die Verschlingung der Metapher
pp. 127-149
Abstrakt
Selbst bei uns Spätmodernen, die die Kategorie des Geschmacks längst als eine Grille des 18. Jahrhunderts abgetan haben, hinterläßt die ›Penthesilea‹ einen heftigen Nachgeschmack, der mit einem Griff zum neuesten theoretischen Tonikum nicht wegzuspülen ist. Dieser Nachgeschmack läßt sich nicht allein durch einen Verweis auf jene schwerverdaulichen Szenen erklären, die schon bei den frühesten Kritikern des Dramas »Entsetzen, Abscheu und Ekel« erregten (LS 282). Daß die Heldin Hackfleisch aus dem Helden macht, daß die martialischen Frauengestalten in Zuschauern wie auch Lesern Unbehagen am Geschlecht hervorrufen,1 mag eine plausible Erklärung für die mißbilligenden Töne hergeben, mit denen das Stück seinerzeit in Weimar aufgenommen wurde;2 es mag sogar (mit geringerer Plausibilität) erklären, warum die erste komplette Inszenierung des Dramas 75 Jahre lang auf sich warten ließ.3 Doch Gewalt, selbst solche, die von Frauen ausgeht, wird wohl kaum der Grund dafür sein, daß der Theaterbetrieb sich noch heute nur selten an die ›Penthesilea‹ heranwagt,4 übersteigt doch die Gewalt, die in jedem Vorstadtkino zu haben ist, bei weitem die in Kleists Stück dargestellte.
Publication details
Published in:
(1998) Kleist-Jahrbuch 1998. Stuttgart, Metzler.
Seiten: 127-149
DOI: 10.1007/978-3-476-03755-8_7
Referenz:
Chaouli Michel (1998) „Die Verschlingung der Metapher“, In: , Kleist-Jahrbuch 1998, Stuttgart, Metzler, 127–149.