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Zu einer Sprachpragmatik der Individualisierung — die kommunikative Zeit
pp. 295-351
Abstrakt
Am Ende des letzten Teils wurde vorgeschlagen, aus der Narrationstheorie Paul Ricoeurs die Konsequenz zu ziehen, daß die Individualisierung vollzogen wird, wo die Person ihre eigene Geschichte erzählt. In dieser einfachen Form ist das zunächst scheinbar eine Trivialität. Um so überraschender ist es auf den ersten Blick, daß Ricoeur diese Konsequenz verwirft und statt dessen auf der Notwendigkeit der Vermittlung durch geschriebene Texte beharrt. Bei näherer Betrachtung wird jedoch schnell klar, daß der Hinweis auf die Notwendigkeit der Vermittlung berechtigt ist. Denn die Annahme, daß das Erzählen der Geschichte einer Person durch diese selbst die Antwort auf die Frage nach der Individualisierung darstellt, ist in dieser einfachen Fassung vorschnell. Die Grundlage der Einwände Ricoeurs gegen diese übereilte Schlußfolgerung ist, wie gesagt, die Zurückweisung der klassischen phänomenologischen Prämisse eines unmittelbaren Zuganges des Subjektes zu sich selbst. An die Stelle der Selbsttransparenz des Subjektes tritt bei Ricoeur die notwendige Vermittlung der Selbstbeziehung durch das, was er eine Dialektik zwischen ipse und idem, zwischen Selbst und Anderem, zwischen Zuschreibung und Aneignung, nennt. Das entscheidende Kennzeichen der indirekten Form der Vermittlung ist die Autonomie der Bedeutung und der Zeitstruktur der Erzählung gegenüber der Intention eines Autors, d.h. die Intersubjektivität der Verständlichkeit der Geschichte und der Logik der Konfiguration.
Publication details
Published in:
Renn Joachim (1997) Existentielle und kommunikative Zeit: Zur "Eigentlichkeit" der individuellen Person und ihrer dialogischen Anerkennung. Dordrecht, Springer.
Seiten: 295-351
DOI: 10.1007/978-3-476-04263-7_5
Referenz:
Renn Joachim (1997) Zu einer Sprachpragmatik der Individualisierung — die kommunikative Zeit, In: Existentielle und kommunikative Zeit, Dordrecht, Springer, 295–351.